Verkörpertes Lernen-was wirklich bleibt

Wir leben in einer Zeit, in der das Lernen nie aufhört. Das ist wunderbar. Nie war es so einfach, Wissen zu sammeln, sich weiterzubilden, Seminare zu buchen, Online-Kurse zu absolvieren. Gerade im Yoga-Bereich ist das Angebot riesig. Für viele von uns gehört es fast schon zum Selbstverständnis, regelmäßig in der Rolle der Schüler*in zu bleiben – neugierig, offen, lernend.

"We don’t learn from experience. We learn from reflecting on experience." – John Dewey


Ich liebe es, zu lernen. Wirklich. Nicht nur wegen der Inhalte, sondern wegen der Räume, die dabei entstehen: neue Perspektiven, lebendige Gespräche, Aha-Momente.

Über die Jahre habe ich viele Aus- und Weiterbildungen gemacht – in Yoga, Psychologie und Achtsamkeit. Nicht, weil ich musste, sondern weil ich wollte. Aus echter Neugier. Aus Begeisterung. Und, ja – manchmal auch aus der leisen Sorge, nicht genug zu wissen. Nicht gut genug vorbereitet zu sein.

Gerade wenn wir lehren, spüren wir Verantwortung. Wir wollen Menschen begleiten – mit Substanz, mit Tiefe, mit Klarheit. Und so reiht sich ein Seminar ans nächste. Aus einem Impuls wird eine Kette. Aus der Freude am Lernen wird manchmal eine stille Verpflichtung. Und irgendwann liegt da ein Stapel Zertifikate. Schön anzusehen. Aber was davon ist wirklich angekommen?

Nicht alles, was ich gelernt habe, hat sich gesetzt. Manche Inhalte blieben auf der Oberfläche, andere sind tief eingesunken – oft erst Jahre später. Das hat mich nachdenklich gemacht: Was genau bleibt eigentlich wirklich nach einer Ausbildung? Was geht tiefer als das Zertifikat?

So kam irgendwann der Moment, an dem ich mich gefragt habe:

  • Was von all dem lebe ich eigentlich wirklich?

  • Was ist bei mir angekommen – nicht im Kopf, sondern im Körper?

  • Was hat mich verändert, berührt, bewegt?

Im Yoga sprechen wir von Svadhyaya, der Selbstreflexion als Teil des Übungspfades.

In der Achtsamkeitspraxis nach Jon Kabat-Zinn geht es darum, ganz im Erleben zu sein, statt etwas erreichen zu wollen.

Und in der humanistischen Psychologie von Carl Rogers steht die eigene Kongruenz im Mittelpunkt: Nur wer in Übereinstimmung mit sich selbst ist, kann authentisch begleiten.

All das braucht etwas, das uns im modernen Alltag oft fehlt: Zeit. Integration. Verkörperung.

Denn das ist es doch, was gutes Lehren ausmacht: Nicht nur Inhalte weitergeben, sondern Erfahrung. Nicht nur Techniken zeigen, sondern Haltung verkörpern. Die stille Sprache der Praxis weitergeben, nicht nur die Theorie.

Man kann in einer Woche lernen, wie man eine Yogaeinheit aufbaut. Aber es dauert vielleicht Jahre, bis man wirklich versteht, was es bedeutet,

  • einen Raum zu halten.

  • Oder zuzuhören.

  • Oder zu sehen, was unausgesprochen im Raum steht.

    Das steht in keinem Skript. Das zeigt dir keine PowerPoint. Das entsteht durch Leben.

Wissen ist nur ein Gerüst. Die Erfahrung ist das Haus." – Jack Kornfield

Du willst wissen, welche Ausbildungen mich geprägt haben? Dann wirf gern einen Blick auf meinen Weg.

Oder du suchst eine Weiterbildung, die Tiefe und Integration verbindet? Dann findest du hier meine aktuellen Aus- und Weiterbildungsangebote.

Marion Schwarzat und Mark Stephens bei seinem ersten Besuch in meinem Studio im Jahr 2017. Unsere Verbindung begann 2015 in München, entwickelte sich über gemeinsame Ausbildungen und wuchs über die Jahre zu einer Freundschaft – getragen von gemeinsamen Stunden auf der Matte, im Gespräch und darüber hinaus. (Foto: privat)

In meiner Arbeit sehe ich immer wieder, wie groß der Wunsch nach Tiefe ist. Menschen kommen in meine Weiterbildungen nicht nur wegen der Inhalte, sondern weil sie spüren:

Hier darf etwas ankommen. Hier muss ich nicht performen. Hier zählt nicht, wie viel ich schon weiß, sondern ob ich bereit bin, das Gelernte wirklich wirken zu lassen.

Ich glaube nicht an „Schnellformate“, wenn es um Verkörperung geht. Unser Nervensystem braucht Wiederholung, Sicherheit, Verbindung. Die Polyvagal-Theorie von Stephen Porges erklärt sehr klar, warum wir in einem Zustand innerer Sicherheit sein müssen, um überhaupt tief lernen zu können. Und dieses Lernen geschieht nicht im Kopf – sondern im ganzen System.

Das erklärt auch, warum wir Inhalte manchmal über Jahre wiederholen müssen, bevor sie wirklich in uns „insinken“. Warum das, was wir heute üben, vielleicht erst in fünf Jahren zum Tragen kommt. Und warum es so wichtig ist, sich in Ausbildungen nicht nur Wissen zu holen, sondern echte Erfahrungen zu machen.

Ich bin heute zutiefst überzeugt: Lernen braucht Zeit. Und das Recht auf Pausen. Das Recht, nicht immer sofort weiterzumachen. Nicht das nächste Zertifikat ist entscheidend, sondern ob ich das, was ich gelernt habe, auch verkörpern kann. Ob ich es atme. Ob ich es wirklich verstehe.

Wenn ich heute ausbilde, dann nicht mit dem Anspruch, etwas "zu vermitteln". Sondern mit der Einladung, etwas gemeinsam zu erforschen. Ich unterrichte nicht von oben herab, sondern aus dem eigenen Prozess heraus. Ich möchte Menschen nicht beeindrucken, sondern begleiten.

Und ja: Ich bilde weiter aus. Mit Leidenschaft.

  • Weil ich an fundiertes Lernen glaube.

  • An Tiefe.

  • An Wiederholung.

  • An Fragen, die keine schnellen Antworten brauchen.

  • An Inhalte, die reifen dürfen.

  • Und an Räume, in denen das auch wirklich erlaubt ist.

Vielleicht brauchen wir nicht mehr Wissen. Sondern mehr Mut, dem Gelernten Zeit zu geben. Mehr Vertrauen in das, was sich langsam entfaltet.

Und mehr Lehrer*innen, die nicht nur viel wissen – sondern viel verkörpern.

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