Wie beim Kochen – über die Kunst der Sequenzierung
Eine gute Yogastunde ist wie ein gutes Gericht.
Sie braucht eine Idee, eine Struktur – und jemanden, der versteht, wie all die Zutaten miteinander in Beziehung stehen.
Das Bild stammt von Jason Crandell, und ich finde, es beschreibt die Kunst des Sequencing so treffend wie kaum ein anderes.
Bevor wir kochen, überlegen wir uns, was wir eigentlich zubereiten möchten.
Ein leichtes Sommergericht? Etwas Wärmendes für kalte Tage? Etwas, das nährt, stärkt oder belebt?
Genauso beginnt gutes Sequencing – nur mit einer anderen Frage:
Wie sollen meine Schüler*innen sich nach dieser Stunde fühlen – oder was sollen sie aus ihr mitnehmen?
“A sequence should be an expression of what you want to teach on that day. Once you have identified what you are trying to teach and how you will get there, then you can sprinkle creativity in.”
Vielleicht möchtest du, dass sie ruhiger gehen, klarer, mehr bei sich selbst.
Vielleicht sollen sie sich erfrischt, zentriert oder geerdet fühlen.
Vielleicht möchtest du, dass sie eine bestimmte Asana wirklich verstehen, ein neues Prinzip im Körper begreifen oder durch eine philosophische Idee innerlich berührt werden.
Das ist dein Gericht – die Essenz, die du kreieren möchtest.
Dann beginnt das eigentliche Handwerk: das Sammeln der Zutaten.
Nicht willkürlich, nicht nach dem Motto „alles, was im Kühlschrank ist, kommt in den Topf“.
Sondern gezielt:
Welche Bewegungen, Übergänge oder Atemräume unterstützen dein Ziel
Welche Asanas bereiten das Hauptthema vor, welche schaffen Balance, welche bringen das Ganze zum Schwingen?
Wie beim Kochen gilt: Nicht alles passt zusammen.
Ein zu starkes Gewürz kann das Ganze kippen, eine fehlende Zutat lässt es blass erscheinen.
Manche Elemente brauchen Zeit, andere nur einen Moment.
Und das Wissen, warum etwas vor etwas anderem kommt, ist das eigentliche Handwerk des Sequencing.
Wir lernen, welche Haltungen vorbereiten, welche vertiefen, welche neutralisieren.
Wir achten auf Kontraste, auf den Rhythmus des Atems, auf die energetische Entwicklung einer Stunde – so wie wir beim Kochen Hitze, Konsistenz und Geschmack aufeinander abstimmen.
Und während wir unterrichten, kosten wir immer wieder ab:
Fühlt sich die Abfolge rund an?
Ist das Verhältnis von Kraft und Weichheit stimmig?
Bleibt der rote Faden spürbar?
“A sequence should be an expression of what you want to teach on that day. Once you have identified what you are trying to teach and how you will get there, then you can sprinkle creativity in.”
Sequencing ist also kein starres Rezept, sondern eine Form von Ausdruck. Es lebt von Wissen, Klarheit, Intention und Erfahrung.
Mit der Zeit entwickelt jede*r Lehrende den eigenen Geschmack.
Manche kochen schlicht und klar, mit wenigen, sorgfältig ausgewählten Zutaten.
Andere lieben das Reichhaltige, Schicht für Schicht, komplex und voll von Nuancen.
Vielleicht kochst du – im übertragenen Sinn – asiatisch: würzig, klar, belebend.
Oder mediterran, erdig, warm und nährend.
Ganz gleich wie – wichtig ist, dass DU weißt, was DEIN Geschmack ist.
Oder, um es mit Jason Crandell zu sagen:
„Your teaching is going to change over time. Don’t try to hold it back. You’ll mature, you’ll grow and your priorities will change.“
Das bedeutet: Dein Stil wächst mit dir. Je mehr du ausprobierst, kostest, verfeinerst, desto mehr entsteht etwas, das unverwechselbar deins ist.
Und wie beim Kochen endet alles nicht in der Küche.
Ein gutes Essen lebt auch davon, wie es serviert wird – von der Atmosphäre, der Stimme, der Wärme, mit der Gäste empfangen werden.
Ich sage oft, dass wir Yogalehrerinnen Gastgeberinnen sind.
Unsere Arbeit beginnt nicht erst mit dem ersten Atemzug auf der Matte, sondern in dem Moment, in dem jemand das Studio betritt.
– in der Stille, die im Raum liegt, im Gefühl, willkommen zu sein, im Ton, der den Anfang trägt.
Auch das gehört zum Sequencing – zur Gesamtkomposition, die weit über Asanas hinausgeht.
Am Ende geht es nicht darum, Rezepte nachzukochen, sondern zu verstehen, wie Geschmack entsteht.
Es geht darum, Erfahrungen zu schaffen, die etwas bewegen – im Körper, im Geist, im Herzen.
Und darum, das zu teilen, was du selbst gekostet, erforscht und verinnerlicht hast.
Am Ende geht es nicht darum, Rezepte nachzukochen, sondern zu verstehen, wie Geschmack entsteht.
Es geht darum, Erfahrungen zu schaffen, die etwas bewegen – im Körper, im Geist, im Herzen.
Und darum, das zu teilen, was du selbst gekostet, erforscht und verinnerlicht hast.
Denn das spüren die Menschen.
Sie kommen nicht, weil du alle Gewürze kennst, sondern weil sie wissen:
Bei dir “schmeckt es” Ihnen.